Sitzende
1935 | WVZ Nr. 58 | Bronze | Höhe 93 cm
Kirchner studierte bis kurz vor der Machtergreifung Hitlers, von 1924 bis 1932, als Meisterschüler Hermann Hahns Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München. Hier wurde zur damaligen Zeit eine von Adolf von Hildebrandt (1847 – 1921) geprägte Kunstauffassung gelehrt, die sich an antiker und klassischer Kunst orientierte und eine starke Hinwendung zum Figürlichen aufwies. Erstrebenswert war in dieser Auffassung eine Plastik, die auf Flächigkeit und Fernwirkung hin konzipiert war. Die Sitzende aus dem Jahr 1935 ist das älteste Werk im Burgberggarten. Sie entstand in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie bereits in Kirchners erster großformatiger Aktfigur von 1928 hat auch die Sitzende ein Flächen betonendes Körpervolumen und ist in ihrer Form vereinfacht dargestellt. Trotz des Gegensatzes von mädchenhaft entwickelten Brüsten und einer weit ausladenden Hüftpartie wirkt die Figur ausgewogen in ihrer Volumenverteilung. Das Gesicht ist im Gegensatz zu den anderen Körperpartien stärker herausgearbeitet, nicht jedoch zugunsten einer individuellen oder personalisierenden Zuschreibung, sondern vielmehr im Hinblick auf die Bildung eines allgemeingültigen, harmonischen Menschenbildes. Mit ihren Tendenzen zur abstrahierenden Gestaltungsweise und der statuarischen Blockhaftigkeit ägyptischer Plastiken weist die Sitzende über den Kunstbegriff der Münchner Akademietradition hinaus und grenzt sich formal von dem verzerrten, ideologisch-heroischen Menschenbild der nationalsozialistischen Plastik ab. Nahm Kirchner bis 1936 noch an Ausstellungen teil, sagte er nach der Beschlagnahmung eines seiner Werke durch die Reichskammer der bildenden Künste im Jahr 1937 weitere Ausstellungsbeteiligungen ab, vergrub viele seiner Bronzeplastiken und stellte seine Arbeit fast vollständig ein. Außer Kleinplastiken mit neutralen Themen und Genredarstellungen sind aus dieser Zeit kaum Werke überliefert.
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Standort der Skulptur